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Dragon Age OriginS

Pikabu

 

Das Leben ist voller wichtiger Entscheidungen. Das trifft auch auf jedes Rollenspiel zu, das der kanadische Entwickler Bioware vor Dragon Age: Origins im Laufe seines knapp 15-jährigen Bestehens veröffentlicht hat. Wie verhalte ich mich in Gesprächen? Löse ich Konflikte diplomatisch oder mit Gewalt? Bin ich bereit, meine Mitstreiter für das Wohl Anderer zu opfern?


Nach Biowares Baldur’s Gate, Knights of the Old Republic, Jade Empire und Mass Effect setzt auch Dragon Age: Origins wieder auf Entscheidungsfreiheit; nahezu alles, was der eigene Held tut (oder nicht tut), wirkt sich auf die Geschichte aus. Dieses ständige Entweder-Oder verpackt Bioware in ein spannend erzähltes, oft dramatisches und im Genre derzeit konkurrenzlos in Szene gesetztes Wechselbad der Gefühle. Eine wichtige Entscheidung sollten Sie also schon jetzt treffen: weiterlesen!

 

Der Spieleinstieg

Dragon Age: Origins beginnt klassisch: Sie wählen aus je drei Rassen (Mensch, Elf oder Zwerg) und Klassen (Krieger, Magier oder Schurke), verteilen Punkte auf sechs rollenspiel-typische Charakterwerte und verpassen Ihrem Helden durch allerhand Sims-artige Schieberegler sein künftiges Konterfei.

Je nach Klasse und Herkunft bietet Dragon Age sechs unterschiedliche, etwa zwei Stunden umfassende Einführungen in die Geschichte, die sogenannten Origin Stories. Als angehender Magier müssen Sie sich zum Beispiel einer Prüfung unterziehen, bei der Sie in eine surreale Traumwelt eintauchen, um einen Dämon zu jagen. Menschliche Krieger finden sich auf der heimischen Burg inmitten eines Angriffs feindlicher Soldaten wieder, in dessen Folge der eigene Vater fällt und Sie gerade so mit dem Leben davon kommen.

Bereits die sechs Auftaktvarianten machen deutlich, wie viel Liebe Bioware in die Figuren sowie die Geschichte gesteckt und diese mit Dramatik gewürzt hat. So müssen wir als städtischer Elf mit ansehen, wie die Braut unseres Cousins Soris von menschlichen Wachen ermordet wird, weil sie sich weigerte, auf deren »Partys« als Lustobjekt zu dienen. Unterstrichen wird die erzählerische Intensität durch hervorragend in Szene gesetzte Zwischensequenzen. Sowohl die Animationen als auch die fein gezeichneten Mimiken machen jede Gefühlsregung der Figuren sichtbar.

Dass Dragon Age: Origins seinen Unterhaltungswert in der 30 bis 40 Stunden umfassenden und nach der jeweiligen Einführung für alle Heldenklassen gleich ablaufenden Kampagne bis zum Schluss auf hohem Niveau hält, hat das Spiel drei Gründen zu verdanken.

 

Punkt 1: die Quests. Vor allem die story-relevanten Aufträge stellen Sie vor so abwechslungsreiche wie packende Aufgaben. Im Brecilian-Wald etwa gehen Sie einem Werfwolf-Fluch auf den Grund, der die dortigen Elfen heimgesucht hat, stoßen im Verlauf aber auf Indizien, dass da noch jemand anders seine Finger im Spiel hat. Im Turm des Magierzirkels treffen Sie auf den Dämon der Trägheit, der Ihren Helden kurzerhand ins eigene Bewusstsein sperrt, wo Sie sich mit Gestaltwandlungs-Talenten durch ein unwirkliches Labyrinth knobeln. Ziel von Dragon Age: Sie sollen alle Völker Fereldens im Kampf gegen einen Erzdämon und dessen Dunkle Brut vereinen. Bei wem Sie hierfür wann anklopfen, bleibt zwar Ihnen überlassen, die eigentlichen Quests verlaufen trotzdem streng linear. Statt wie in Risen die Welt frei erkunden zu dürfen, klappern Sie vordefinierte »Schlauchlevels« ab, die wegen weniger Abzweigungen kaum Entdeckerdrang fördern, Sie dafür aber durch Zwischensequenzen und Skriptereignisse bei der Stange halten.

 

Im Vergleich zu Mass Effect hat Bioware die Dichte der Nebenaufgaben zwar zurückgefahren, diese aber besser in die Handlung integriert. Wer beispielsweise vor der story-relevanten Schlacht um Redcliffe in einem verlassenen Haus Ölflaschen findet und den Schmied Bevin dazu bringt, die Schnapspulle gegen seinen Hammer einzutauschen, tritt mit Brandbarrikaden und erstarkten KI-Truppen gegen die Untoten an. Zudem bieten fast alle Quests mehrere Lösungswege. Bevin etwa lässt sich (das entsprechende Talent vorausgesetzt) entweder überreden oder will erst seine verschollene Tochter Kaitlyn in Sicherheit wissen. Vielleicht funktioniert es aber auch, dem Zwerg das Schwert an die Kehle zu setzen. Kritik auf hohem Niveau: So manche Quest zieht sich wegen teils unnötig großer Gebiete in die Länge. Zwei Stockwerke im Turm der Magier oder ein paar Höhlen im Frostgipfelgebirge weniger wären hier tatsächlich mehr gewesen.

 

Punkt 2 auf der Liste der motivierenden Elemente: die Charaktere. Wie für ein Bioware-Rollenspiel typisch scharen Sie in Dragon Age: Origins mehrere KI-gesteuerte Kameraden um sich, von denen einer markanter ist als der andere.

Während zum Beispiel der Krieger Alistair jeden Fremden misstrauisch beäugt, ist es der zynischen Magierin Morrigan stets recht, wenn man im Zweifel erstmal die Waffen sprechen lässt. Kommt es zu moralischen Konflikten, sollten Sie berücksichtigen, was Ihre Mitstreiter zum Thema beizutragen haben. Stimmen Sie nämlich zu häufig gegen eine Ansicht, sinken der Moralwert und damit die Kampfkraft des entsprechenden Helden. Im schlimmsten Fall verlässt er die Gruppe sogar. Um dem entgegen zu wirken, dürfen Sie mit Geschenken für Gutwetter sorgen. Wobei auch hier Taktgefühl gefragt ist; Alistair ein Diamantcollier in die Hand zu drücken, beeindruckt den Haudrauf weniger als etwa die Heilerin Wynne. Die entsprechenden Kommentare sind nicht nur witzig, sondern verstärken auch die Bindung zu den Helden. Besonders Letztere wird Ihnen im Spiel mehr als nur einmal derbe Gewissensbisse bescheren.

Neben den eigenen Mitstreitern punkten auch viele Questgeber durch Macken und schrullige Details, etwa der Zwergenhändler Garin, der zu häufig am giftigen Lyrium-Erz geschnuppert hat und deshalb zu stottern anfing. Zudem reagieren die Figuren (NPCs) je nach Herkunft Ihres Helden unterschiedlich auf Anfragen. Während Sie als Angehöriger der Elfen in der von Menschen besiedelten Hauptstadt Denerim auf Ablehnung und Misstrauen stoßen werden, beißen menschliche Helden bei den Spitzohren im Brecilian-Wald auf Granit. Das sorgt für ein ordentliches Atmosphäre-Plus und erhöht durch teils anders ablaufende Quests den Wiederspielwert. Gut ist Bioware auch der Bösewicht gelungen. Warum Loghain Mac Tir, der einstige Anführer der menschlichen Streitkräfte, seinen König verrät und trotz der Bedrohung durch die Dunkle Brut einen Bürgerkrieg anzuzetteln versucht, macht ihn (insbesondere wenn man den Roman zu Dragon Age kennt) zu einem so undurchsichtigen wie interessanten Rivalen.

 

© 2015 Julia Hoyna

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